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Die Rendsburger Eisenbahnhochbrücke – Ein Bau mit Hindernissen


Schleswig-Holstein ist mit großen technischen Denkmälern nicht gerade reich geschmückt. Aber seine Brücken und Kanäle sind bis weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Und ein Verkehrsknotenpunkt der besonderen Art gibt es in Rendsburg zu bestaunen. Als weltweit einzigartig gilt die Kreuzung dreier Verkehrswege: Eisenbahn, Wasserweg und die Straße durch die Schwebefähre (Wenn diese auch zurzeit nach einer Kollision neu gebaut werden muss). Das Wahrzeichen Rendsburgs ist die Rendsburger Eisenbahnhochbrücke. Sie ist  zu einem Anziehungspunkt für die ganze Region geworden und zählt auch heute noch zu den bedeutenden technischen Baudenkmälern Deutschlands.

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Als am 3. Juni 1881 der Grundstein für den Bau des Nord-Ostsee-Kanals durch Kaiser Wilhelm I. gelegt wurde, begannen eigentlich erst die großen Probleme der Regierung. Denn mit dem Bau der künstlichen Seeschifffahrtsstraße wurden ganze Dörfer, Wohngebiete, Straßen und Eisenbahnlinien „kanalgeteilt“. Nicht weniger als zwei Hoch- und fünf Drehbrücken mussten gebaut und insgesamt 16 Fährstellen eingerichtet werden, um Getrenntes wieder zu vereinen.

Wichtigste Eisenbahnlinie wurde zerschnitten

Durch den Kanal wurde auch die wichtigste Eisenbahnlinie des Landes zerschnitten. Die Strecke Hamburg – Flensburg (sie verband Skandinavien mit dem südlichen Europa) gehörte schon damals zu den am stärksten genutzten Schienenwegen und überquerte in Höhe der heutigen Schiffsbegrüßungsanlage den Kanal. Bis 1894, also als der Bau des Kanals schon längst begonnen hatte, rollten die Züge auf einer Landzunge, unbehelligt vom Kanalbau, auf ihren alten Gleisen. Bei der Planung des Kanals hatte man den Bau der Rendsburger Eisenbahnhochbrücke noch gar nicht im Sinn.

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Aus strategischen Gründen und um das Gewicht zu mindern, wurden zwei einzelne, in 150 Meter Abstand liegende, eingleisige Drehbrücken gebaut, die sich nur wenige Meter über dem Kanalwasserspiegel auf ihren Stühlen gegeneinander langsam drehten. Die Baukosten lagen bei fast 1,4 Millionen Goldmark. Noch heute ist ein altes Widerlager am nördlichen Kanalufer nicht weit von der Schiffsbegrüßungsanlage zu bestaunen. Die Drehbrücken waren einflüglig mit einer Stützweite von jeweils 50 Metern. Das Öffnen und Schließen geschah in 1,5 Minuten hydraulisch durch Flaschenzüge. Sollte die Hydraulik einmal versagen, konnten drei bis vier sportliche Männer mit Muskelkraft die Brücken in etwa acht Minuten drehen.

Die alte Drehbrücke in Rendsburg

Die alte Drehbrücke in Rendsburg

Züge hatten immer Vorfahrt

Um den Schiffsverkehr auf dem Kanal nicht zu gefährden, standen die beiden Eisenbahndrehbrücken immer offen. Erst wenn ein Zug – damals noch telefonisch – angekündigt war, wurde die entsprechende Brücke geschlossen. Und zwar bereits etwa zehn Minuten bevor der Zug am Kanal ankam. Und sollten sich einmal am Kanal zwei Züge begegnen, konnte es passieren, dass die Drehbrücken schon mal bis zu einer Stunde dicht waren. Pech für die Schiffe – sie mussten warten. Denn nur so konnte gewährleistet werden, dass die Züge ihren Fahrplan einhielten. Zur damaligen Zeit hatte die Bahn als eines der Hauptverkehrsmittel immer Vorrang. Gerade diese beiden Drehbrücken bei Rendsburg waren der Kriegsmarine, für die ja der Kanal eigentlich gebaut wurde, ein Dorn im Auge.

Durch das Wettrüsten mit den Briten wurden die Schlachtschiffe immer größer und passten schließlich nicht mehr durch den Kanal. Und tatsächlich setzte die Marine bei den Planungen der ersten Kanalverbreiterung (1907 bis 1914) durch, dass die Eisenbahn-Drehbrücken verschwinden sollten. Gerade im Kriegsfall, so Admiral und Staatssekretär Alfred Tirpitz, wären die beiden Drehbrücken zu einem großen Hindernis geworden.

In Rendsburg stand noch eine Straßendrehbrücke

Aber auch die Fracht-Schiffe, die ebenfalls immer größer wurden, ließen sich nicht mehr so einfach im Kanal stoppen. Trotzdem haben die Drehbrücken 18 Jahre unfallfrei ihren Dienst versehen. Eine Rendsburger Drehbrücke hat aber die Kanalverbreiterung überlebt. In Höhe des heutigen Fußgängertunnels stand bereits seit Kanaleröffnung eine Straßendrehbrücke, die bei der Kanalverbreiterung durch eine neue Drehbrücke aus der Feder von Friedrich Voß ersetzt wurde. Der Drehbrückenneubau beherbergte bis 1957 neben der B 77 (Europastraße 3) auch noch den Eisenbahnnahverkehr, die Rendsburger Kreisbahn „Rosa“. Sie führte von Rendsburg über Hohenweststedt nach Schenefeld. Durch die gewaltige Entwicklung im Straßenverkehr kam es in Rendsburg zu längeren Staus vor der Drehbrücke. Denn nach dem Bau der Hochbrücke hatten jetzt – anders als früher – die Schiffe immer Vorrang. 1961 wurde die Drehbrücke endgültig abgerissen und durch zwei Tunnel ersetzt. Dieses sind übrigens die einzigen Tunnel, die unter dem Nord-Ostsee-Kanal hindurchführen. Schon wieder bekam Rendsburg ein Unikum. Eine alte Glocke auf der Nordseite am Fußgängertunnel erinnert noch heute an die Drehbrücke. Sie thronte auf der Spitze der Brücke und tönte während des Schließ- oder Öffnungsvorgangs.

Drei Forderungen an die Rendsburger Eisenbahnhochbrücke

Doch machen wir wieder einen Sprung zurück in die Geschichte der Rendsburger Eisenbahnhochbrücke: 1908 schlug die Stunde des Brückenbaumeisters Friedrich Voß. Er zeichnete sich für eine Vielzahl von Brücken – nicht nur Kanalüberquerungen – in Schleswig-Holstein verantwortlich. Führende Ingenieure und Techniker arbeiteten eng mit dem Kanalbauamt in Rendsburg und der Eisenbahndirektion Hamburg-Altona zusammen, um die Hochbrücke zu bauen. Das Team um Friedrich Voß musste drei Forderungen gerecht werden. Die Marine forderte zwei Maße: 42 Meter lichte Durchfahrtshöhe und mindestens 120 Meter Abstand zwischen den Brückenpfeilern. Die Eisenbahnverwaltung bestand darauf, den

Der Rendsburger Bahnhof in Sichtweite zur Hochbrücke. Foto: Stefan Fuhr

Der Rendsburger Bahnhof in Sichtweite zur Hochbrücke. Foto: Stefan Fuhr

Rendsburger Bahnhof nicht zu verlegen. Aber der steht nur etwa 600 Meter Luftlinie vom Kanal entfernt, und damals konnte ein Zug nicht mehr als eine Steigung von 1:150 schaffen. Das heißt für jeden Meter Steigung brauchte er eine Strecke von 150 Metern.

Die Forderung der Marine war relativ leicht zu bewältigen – es war nur eine Frage, wie groß die Brücke werden sollte.

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Die Eisenbahn-Verwaltung zufrieden zu stellen, war schwieriger – zumindest auf der Nordseite. Auf der Südseite konnten die Züge durch einen aufgeschütteten Damm auf die erforderliche Höhe gebracht werden. Aber um auf der Nordseite zum Rendsburger Bahnhof zu gelangen, musste die Strecke künstlich verlängert werden.

Eisenbahnlinie musste künstlich verlängert werden

Dieses geschah in Form der 4,5 Kilometer langen Schleife in östlicher Richtung. Westlich lagen der Kreishafen und die schon stark bebaute Stadtfläche Rendsburgs. Aber in östlicher Richtung, vom Kanal aus gesehen, war das so genannte Stadtfeld zwischen Eider und Kanal. Die Schleife hat eine Ellipsenform mit dem kleinsten Halbmesser von 475 Metern. Der Bahnhof mit den entsprechenden Gleisanlagen wurde zusätzlich noch um 4,5 Meter höher gelegt. Diese Arbeiten begannen 1910 und dauerten drei Jahre. Der Bau einer Schleife war ein bis dahin noch nie angewandter Trick, um im Flachland derartige Höhenunterschiede auszugleichen.

Aus der Luft ist die Schleife sehr gut zu erkennen. Foto: Stefan Fuhr

Aus der Luft ist die Schleife sehr gut zu erkennen. Foto: Stefan Fuhr

Die Bahnlinie nach Flensburg musste bereits 5,5 Kilometer südlich vom Kanal beginnend mit einem Bogen um Osterrönfeld herum verlegt werden. Den Kanal erreicht die Eisenbahnlinie rechtwinklig und mit der höchstzulässigen Steigung. An diese Hauptlinie musste auch noch die Eisenbahnstrecke Rendsburg – Kiel und eine Nebenstrecke nach Schacht-Audorf eingefädelt werden. Dieses geschah mittels neuer Rampen in 14 Meter Höhe am neu gebauten Bahnhof Osterrönfeld. Die Bahnstrecke nach Flensburg wurde um 4,8 Kilometer, die Strecke nach Kiel um 5,9 Kilometer länger.

Bei der Planung der Rendsburger Eisenbahnhochbrücke griff Friedrich Voß zu einem ungewöhnlichen Mittel. Statt eine perspektivische Zeichnung anfertigen zu lassen, ließ er die Brücke bauen. „Ich habe hier wohl zum ersten Mal in der Geschichte des Brückenbaus einen Versuch gemacht, um die plastische Wirkung einer Brücke zu erfassen. Ich habe einen Modelleur beauftragt, der aus Pappe, Kleister und Gips das im Maßstab 1:500, später auch teilweise 1:10 gezeichnete Bauwerk zusammenklebte.“ Verbesserungsvorschläge oder gar Kritik erwartete er übrigens nicht: „Die Konstruktion war vollständig durchgearbeitet.“

Großer Widerstand gegen die Hochbrücke

Trotzdem regte sich Widerstand. Im Landesarchiv liegen noch heute mehrere Meter Akten, die davon zeugen, dass die Rendsburger ihr neues Wahrzeichen zunächst gar nicht wollten. Gerade die Verlängerung der Wegstrecke wurde von den Hochbrücken-Gegnern angeführt. Meist war es die örtliche Industrie wie z. B. die Düngerfabrik oder auch die Carlshütte in Büdelsdorf, die glaubten, jetzt müsse ein Entfernungszuschlag an die Eisenbahn gezahlt werden. Immerhin transportierte alleine die Düngerfabrik etwa 5000 Waggons. Tatsächlich waren diese Zusatzkosten ein großer Zankapfel. Erst 1912 wurde festgelegt, dass sämtliche Entfernungen kostenseitig – obwohl tatsächlich länger – nur um einen Kilometer erhöht werden.

Ein Anwohner aus Osterrönfeld sorgte sich um sein Strohdach. Er befürchtete, der Funkenflug der Dampfloks könne ein Feuer entfachen. Das Brückenbauamt spendierte ihm ein neues Dach aus Ziegeln. Auch die Stadt Rendsburg hatte ihre Bedenken: Sie glaubte, dass das Stadtfeld durch die Schleife abgeschnitten sein würde. Dieses würde die Entwicklung der Stadt stark beeinflussen. Das Brückenbauamt gab der Verwaltung Recht, und die Brücke wurde um 300 Meter auf der nördlichen Seite verlängert. So wurde der Zugang ins Innere der Schleife vergrößert. Der Stadtteil um diese Verlängerung herum wird auch heute noch „Schleife“ genannt.

Dieses Foto vom 28. März 1913 zeigt den Bau der Eisenbahnhochbrücke in Rendsburg. Im Vordergrund die alte Eisenbahndrehbrücke. Blick von Südosten. Foto: Archiv WSD

Dieses Foto vom 28. März 1913 zeigt den Bau der Eisenbahnhochbrücke in Rendsburg. Im Vordergrund die alte Eisenbahndrehbrücke.
Blick von Südosten. Foto: Archiv WSD

1911 begannen die Bauarbeiten für die Hochbrücke

Ende 1911 wurde damit begonnen, die Rampen aufzuschütten. 5,2 Millionen Kubikmeter Boden wurden dafür auf beiden Seiten benötigt. Der Boden wurde aus dem Kanal genommen – im Zuge der Erweiterung. Seltsame Steinbögen wuchsen aus der Landschaft. Sie gehörten zu den acht Unterführungen in den Dämmen. Zwischen diesen Dämmen verläuft die eigentliche Hochbrücke. Sie besteht aus den Rampenbrücken mit ihren 51 Pfeilern, dem Schleifenbauwerk – ein Zweigelenkrahmen, an deren Stelle die Eisenbahnlinie die Brücke unterfährt – und dem „Kanalbauwerk“ mit den beiden Übergangs- und den beiden Hauptpfeilern. Die aus rund 1600 cbm Beton bestehenden Fundamente dieser Pfeiler sind 17 Meter tief unter der Erde gegründet und an ihrer Sohle 14 Meter breit. Auf ihnen ruhen die granitverkleideten Pfeilersockel. Darauf wiederum beginnt dann die Stahlkonstruktion.

Um die Baustelle herum wuchs ein kleines Dorf aus Reparaturwerkstätten, Schmiede, Unterkunftsräumen für die Arbeiter, Abstellräumen und Materiallager.
Die Einzelteile der Hochbrücke aus Flussstahl wurden, so weit es ging, schon in den Werkstätten der Herstellungsfirmen, z.B. der Gutehoffnungshütte in Oberhausen, unter der strengen Kontrolle der Bauverwaltung vorgefertigt. Diese wurden dann teils per Schiff, teils per Bahn nach Rendsburg gebracht. Nachdem die mächtigen Tragekonstruktionen aufgestellt waren, schob ein so genannter Vorbaukran die Stahlteile Stück für Stück vorwärts. 140 Meter schwingt sich die Hochbrücke über den Kanal. Die Gesamthöhe der Eisenbahnhochbrücke ist 66,9 Meter über dem Wasserspiegel. Die lichte Durchfahrtshöhe beträgt die von der Marine vorgeschriebenen 42 Meter.

Das Absenken des Unterwagens des Vorbaukranes der Kanalbrücke zeigt dieses Bild vom 15. April 1913. Die Männer arbeiten in schwindelerregender Höhe. Foto: Archiv WSD

Das Absenken des Unterwagens des Vorbaukranes der Kanalbrücke zeigt dieses Bild vom 15. April 1913. Die Männer arbeiten in schwindelerregender Höhe. Foto: Archiv WSD

Die damals mit dem Brückenbau beschäftigten 350 Männer bauten fast rund um die Uhr, von der Nord- und von der Südseite gleichzeitig. Teilweise ohne Leitern und Gerüste kletterten sie auf der Hochbrücke herum. An manchen Tagen konnte überhaupt nicht gearbeitet werden – der Sturm fegte einfach zu stark über Schleswig-Holstein. An anderen Tagen konnten sich die Arbeiter wegen des heulenden Windes nur per Zeichensprache verständigen. Trotz größter Vorsichtsmaßnahmen verletzten sich 50 Mann schwer, zwei erlagen ihren Verletzungen. Und leider stürzten auch fünf Männer von der Hochbrücke in den Tod.

3,2 Millionen Nieten halten die Brücke zusammen

Ununterbrochen dröhnten die Niethämmer, denn die Hochbrücke ist nicht geschweißt: 3,2 Millionen Nieten halten die Tausende von Einzelteilen, die ausgelegt eine Fläche von 24 ha abdecken würden, zusammen. Das Gewicht der eigentlichen Brücke über den Kanal beträgt 3696 t, die Rampenbrücken wiegen 13 951 t. Die Anstrichfläche ist 236 000 qm groß – über 100 000 kg Farbe werden für einen Anstrich benötigt.
Die Schienen liegen auf starken Schwellen. Ein Gleis verwandelt sich mit bereitliegenden Eisenplatten jederzeit schnell in eine Straße für Militärfahrzeuge. Die Gesamtbaukosten beliefen sich auf 13,4 Millionen Goldmark.

Jetzt ist die Hochbrücke zweigleisig. Foto: Stefan Fuhr

Jetzt ist die Hochbrücke zweigleisig. Foto: Stefan Fuhr

Am 27. September 1913 wurde die Rendsburger Eisenbahnhochbrücke polizeilich abgenommen. Zuvor erfolgten Testfahrten und Probebelastungen, die von Messinstrumenten aufgezeichnet wurden. Aber die Brücke bestand alle Tests. Mit einem Sonderzug fuhren 25 Herren des Ministeriums, der königlichen Eisenbahnbauabteilung, des kaiserlichen Kanalamtes und der Betriebsinspektion Flensburg langsam über die neue Brücke und unterschrieben die Unbedenklichkeits-Urkunde. Auch die Unterschrift von Friedrich Voß ist darunter. Dass sich der Erbauer unserer Eisenbahnhochbrücke am Tag vor der Einweihung von der Brücke in den Tod gestürzt haben soll, weil er seinem Werk nicht traute, ist ein Gerücht, das sich allerdings sehr hartnäckig hält. Ganz im Gegenteil: Als Dozent bildete Friedrich Voß junge Brückenbauer aus, zeigte sogar ausländischen Ingenieursstudenten „seine“ Brücke und wurde für seine Bauten hochgelobt und geehrt.

Am Sonntag nach der Abnahme hatten die Rendsburger Gelegenheit, sich ihre neue Brücke einmal genau anzusehen und sogar über sie hinüberzugehen.

Am 1. Oktober erfolgte die Freigabe

Planmäßig wurde am 1. Oktober 1913 die Rendsburger Hochbrücke für den Eisenbahnverkehr freigegeben. Sie war zu dieser Zeit das größte Stahlbauwerk Europas. Die Züge entfachen an der Eisenbahnhochbrücke starke Kräfte: Je nachdem wie schnell und wie schwer die Züge sind, biegt sich die Brücke in der Mitte um bis 70 Millimeter. In der Längsrichtung verschiebt sich die Eisenkonstruktion je nach Bremskraft um bis zu 50 Millimeter. Diese Kräfte werden durch die Träger abgeleitet.

Die filigranen Pfeiler der Rendsburger Eisenbahnhochbrücke. Foto: Martin Heidorn

Die filigranen Pfeiler der Rendsburger Eisenbahnhochbrücke. Foto: Martin Heidorn

Zunächst standen sowohl auf der Nord- als auch auf der Südseite der Hochbrücke kleine Häuschen. Im nördlichen hielt der Brückenmeister Wache, im südlichen Haus saß ein Eisenbahner, um die Signale für die Züge zu stellen. Diese sind leider Sanierungsarbeiten zum Opfer gefallen und wurden leider auch nicht wieder aufgebaut.

Rendsburger Eisenbahnhochbrücke überstand Kriege – aber es war einmal knapp

Während der Kriege war die Eisenbahnhochbrücke immer wieder das Ziel mehrerer Bombenflugzeuge. Aber unsere Hochbrücke konnte nichts erschüttern. Doch um ein Haar wäre dieses imposante Bauwerk dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer gefallen. Kurz vor Ende des Krieges 1945 sollte Rendsburg zur Festung erklärt und die Hochbrücke gesprengt werden: Denn noch am 20. März 1945 erlässt Adolf Hitler den so genannten Zerstörungsbefehl, der bewirken soll, das weitere Vordringen des Feindes zu behindern. Dieser Befehl gelangt auch zu Oberst Carsten Christiansen, Kommandeur des Wehrbezirkskommandos Rendsburg. Der Nord-Ostsee-Kanal wird zur Hauptverteidigungslinie und die Festung Rendsburg soll bis zum letzten Mann gehalten werden. Was dies für die Bewohner der Stadt bedeutet hätte, wenn der Befehl denn ausgeführt worden wäre,  ist unvorstellbar. Nach dem Selbstmord Adolf Hitlers am 30. April 1945 nehmen Oberst Christiansen und der damalige stellvertretende Bürgermeister Rendsburgs, Heinrich Röschmann, mit dem Landrat Julius Peters die Dinge in die Hand und erreichen – gegen immer noch massive Widerstände einiger uneinsichtiger starrköpfiger Militärs – bei Großadmiral Karl Dönitz in Flensburg die Rettung der Hochbrücke und die Rücknahme des Zerstörungsbefehls.

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Am Sonntag, 6. Mai 1945, heißt es dann in der Zeitung: „Heute früh um 8 Uhr ist auch in Schleswig-Holstein Waffenruhe gegenüber den britischen Truppen eingetreten. Die militärischen Handlungen sind damit auch für Rendsburg zu Ende. Die Sorgen, die damit auch für unsere Stadt verbunden waren, sind gegenstandslos geworden.“ Für die Hochbrücke war das die Rettung in letzter Sekunde.

Die Hanseatic unter der Rendsburger Eisenbahnhochbrücke. Foto: Martin Heidorn

Die Hanseatic unter der Rendsburger Eisenbahnhochbrücke. Foto: Martin Heidorn

Immer wieder musste die Hochbrücke Reparaturen unterzogen werden. Korrosion und Verschleiß machen auch vor einem Wahrzeichen nicht halt. Gemäß einem Planfeststellungsbeschluss von 1913 ist die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung als Eigentümerin der Hochbrücke verpflichtet, das Bauwerk zu unterhalten. Viele Firmen sind tätig, um die Eisenbahnhochbrücke als ein sicheres Bauwerk zu erhalten. Hat der Neubau noch 13,4, Mio Goldmark gekostet, investierte man alleine in der Zeit von 1992 bis 2002 etwa 50 Millionen Euro in den Lageraustausch, der Elektrifizierung der Gleisstrecke, für den Stahlbau und Korrosionsschutz in Teilbereichen der Konstruktion. Es sollen noch weitere 25 Mio Euro in den nächsten Jahren folgen. Nach intensiver Materialprüfung kam man zu der Feststellung, dass die Brücke noch mindestens 30 Jahre ihren Dienst versehen kann. Ihren 100. Geburtstag 2013 hat sie bislang sehr gut überlebt.
Damit bleibt Rendsburg die wohl weltweit einzige Kreuzung dreier Verkehrswege an einem Punkt erhalten: Kanal, Eisenbahn und Straße mittels der Schwebefähre.

Sie können übrigens eine einmalige Aussicht von einer Plattform auf der Hochbrücke aus genießen. Mehr Informationen erhalten Sie hier.

Das Traumschiff Prinsendem (fährt heute als Amera) wird an der Schiffsbegrüßungsanlage unter der Rendsburger Eisenbahnhochbrücke willkommen geheißen. Foto: Stefan Fuhr